Die Grüne-CDU-Gruppe im Kreistag des Landkreises Grafschaft Bentheim hat gemeinsam einen ursprünglich Grüne-Antrag mit leichter Änderung am 25.09.2025 in den Grafschafter Kreistag eingebracht.
Kernforderung: “Der Kreistag der Grafschaft Bentheim fordert die Verfassungsorgane Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung auf, ein Verbotsverfahren gegen die Alternative für Deutschland (AfD) gemäß Art. 21 Grundgesetz intensiv zu prüfen.
Wohl wissend, dass dieses mehr eine rechtliche als eine politische Frage ist, wollen wir das Zeichen setzen, dass neben der politischen Bekämpfung der AfD auch die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit steht.
Bei Vorliegen entsprechender Erkenntnisse und Voraussetzungen – Partei muss planvoll das Funktionieren der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beseitigen wollen und es müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die es möglich erscheinen lassen, dass das Handeln der Partei erfolgreich sein kann – muss ein solches Verfahren eingeleitet werden.”
Unser Kreistagsmitglied Florian Manfred Pletz hat sich in der Sitzung klar gegen diese Resolution ausgesprochen und auch gegen diese gestimmt. Warum? Sein Redebeitrag hier im Wortlaut:
“Sehr geehrter Herr Landrat,
sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wir debattieren heute über einen Antrag, mit dem der Kreistag Grafschaft Bentheim die Bundesregierung auffordern soll, ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD einzuleiten oder zumindest zu prüfen.
Lassen Sie mich dazu in aller Klarheit sagen: Der richtige Ort, um über Parteiverbote zu entscheiden, ist nicht der Kreistag. Wir haben ein Bundesverfassungsgericht, wir haben Verfassungsschutzbehörden, wir haben einen klar geregelten Rechtsstaat. Wir brauchen keinen Kreistag, der sich von Nordhorn aus zum Ersatz-Senat von Karlsruhe aufschwingt.
Noch wichtiger ist aber: Ein Verbot ist nicht der Weg, wie Liberale die Demokratie verteidigen. Freiheit lebt davon, dass man auch das aushalten muss, was einem nicht gefällt. Wer Parteien durch Gerichtsentscheidungen beseitigen will, der stärkt sie am Ende politisch nur. Man macht sie zu Märtyrern. Das hat die Geschichte mehrfach gezeigt.
Unser Grundgesetz gibt uns die stärksten Waffen gegen Extremisten: das freie Wort, die offene Debatte, die Wahlurne. Wer Vertrauen in die Bürgerinnen und Bürger hat, der setzt auf Aufklärung und Argumente, nicht auf Verbote. Demokratie beweist ihre Stärke nicht, indem sie Konkurrenz ausschaltet, sondern indem sie sie in fairer Auseinandersetzung besiegt.
Dazu kommt ein zweiter, sehr praktischer Aspekt: Selbst wenn man den Antrag inhaltlich ernst nähme – er ist zum jetzigen Zeitpunkt rechtlich wahrscheinlich chancenlos. Nach wie vor kommt die Mehrheit der führenden Juristen diesbezüglich zu einer klaren Einschätzung: Ein Verbotsverfahren würde heute vor dem Bundesverfassungsgericht gnadenlos scheitern. Für ein Verbot müsste nachweisbar sein, dass die gesamte Organisation aggressiv-kämpferisch auf die Beseitigung der Demokratie ausgerichtet ist. So sehr man viele Parolen der AfD ablehnen muss, so sehr einzelne, immer lauter werdende Strömungen innerhalb der Partei absolut inakzeptabel und demokratiefeindlich auftreten – ist dieser objektive Nachweis aktuell dennoch nicht zu führen. Wer trotzdem ein Verfahren fordert, schwächt am Ende die Demokratie, statt sie zu stärken.
Und nun ein Blick auf unsere eigene Verantwortung und praktische Realitäten hier im Landkreis:
Während Sie Resolutionen nach Berlin verabschieden wollen, bereitet dieselbe Kreisverwaltung eine drastische Erhöhung der Kreisumlage vor. Diese Erhöhung wird die Haushalte vieler Kommunen in die Schieflage treiben. Und was sehen wir im Landkreis selbst? Keine erkennbaren Konsolidierungsmaßnahmen, keine Ausgabenkritik, kein Gegensteuern.
Meine Damen und Herren: Man kann nicht glaubwürdig die Demokratie mit großen Gesten retten wollen – und gleichzeitig den eigenen Bürgermeistern die Luft zum Atmen nehmen.
Darum sage ich: Dieser Antrag ist abzulehnen.
Nicht, weil ich Extremisten unterschätze. Sondern weil ich dem Rechtsstaat vertraue, weil ich den mündigen Bürger ernst nehme – und weil ich erwarte, dass dieser Kreistag sich endlich wieder seiner eigentlichen Verantwortung stellt: solide Finanzen, effiziente Verwaltung, starke Kommunen.
Gute Politik lebt nicht von Symbolanträgen, sondern von realen Lösungen vor Ort: von soliden Schulen, Kitas, Straßen und einer funktionierenden Verwaltung. Unsere Bürger erwarten zu Recht, dass wir hier in der Grafschaft Probleme lösen – und nicht mit dem Finger nach Berlin zeigen, um von eigener Verantwortung abzulenken.
Möglicherweise wird die AfD selbst dafür sorgen, dass sie sich durch ihre eigene Radikalisierung irgendwann gerichtsfest verbieten lässt. Aber bis dahin sollten wir uns auf reale Antworten für die Menschen hier in der Grafschaft konzentrieren, reale Antworten, die die AfD bisher eben nicht präsentiert – und nicht die Illusion nähren, ein heute aussichtsloses Verbotsverfahren sei schon eine Lösung.
Abschließend noch ein vielleicht unbequemer Gedanke:
Wer glaubt, andere mit moralischen Urteilen niedermachen zu können und dabei die realen Probleme der Menschen nicht löst, verschiebt den politischen Diskurs endgültig weg von der sachlichen Debatte, hin zum moralischen Urteil – und zeigt: Es geht ihm nicht um die Bürger, nicht um den Landkreis, sondern nur um sich selbst.
Vielen Dank.”
